„Was willst Du hier, Du fettes Schwein“
So und so ähnlich sah damals mein Leben aus, eigentlich muss ich schon sagen “Mein Alltag”. Diese Dinge hört und registriert ein Mensch, wie ich mit 263 Kilogramm damals, ständig. Es macht einen, es machte mich, kaputt. Es gab mir das Gefühl Abschaum zu sein und keinen Wert zu haben. Nachfolgend zeige ich Dir eine Studie, die interessant für mich ist und meine Empfindungen untermauert.
Fette Menschen werden als Menschen zweiter Klasse behandelt und abgestempelt. Es ist einfach Leute aufgrund ihres Aussehens zu verurteilen und diesen dann den eigenen Unmut um die Nase zu hauen. Eine Studie der DAK “Adipositas: Das denken Deutsche über Dicke” zeigt auf, wie die deutsche Bevölkerung über “Übergewichtige” denkt. Die Wichtigsten und zugleich wirklich krassen Aussagen der Studie sagen aus, dass:
- Fettleibige selbst schuld seien an den überflüssigen Pfunden und zu faul seien, um abzunehmen (36 Prozent).
- stark übergewichtige Menschen unästhetisch seien (71 Prozent).
- sie bewusst Kontakt zu adipösen Menschen meiden (15 Prozent).
Im Umkehrschluss heißt das, dass mehr als 1/3 der Leute denkt, dass Leute jenseits des 30’er BMI’s schlicht und ergreifend einfach faule Schweine sind und gar nicht abnehmen wollen. Die nächste Aussage schreckt mich zwar nicht wirklich ab, aber die Zahl verwundert mich schon ein wenig. 71% der befragten Bürger sehen “fette” als absolut unästhetisch an und 15% meiden sogar jeden Kontakt zu Menschen wie ich mal einer war. Da frage ich mich allerdings, ob die Dunkelziffer nicht sogar noch höher liegt.
Es ist kein Wunder, dass Menschen jenseits des Normalgewichts sich schlicht und ergreifend selbst ausgrenzen. Sich selbst sozial zu isolieren ist viel einfacher, als früher oder später von der Gesellschaft aktiv ausgeschlossen zu werden- und da ist der Knackpunkt! Mit dem Umgang fördert man eine weitere Zunahme! Der Mensch nimmt nicht ab, sondern frisst immer mehr in sich herein. Wut, Trauer, Enttäuschung, Zurückweisung und Einsamkeit führen bei den Meisten zu einer kompletten Isolation und der “Aufgabe von sich selbst”.
Man denkt darüber nach, ob es überhaupt jemanden interessiert, wenn Du von heute auf morgen stirbst.
Trauert jemand um Dich? Oder sind die Leute froh, dass der Fette endlich nicht mehr in ihrem Dunstkreis rumhängt?
Es ist TRAURIG, dass diese Gedanken wegen einer ÄUßERLICHKEIT auftreten und zeigt, was Menschen in der Lage sind für psychische Gewalt durch Kommentare und Verhalten anzuwenden.
Die Leute wissen woher es kommt.. oder auch nicht!
Was ich vielmehr noch interessanter und ernüchternder finde, als die oben genannten Dinge, sind die Meinungen der Leute, die “wissen” woher es kommt.
- Bewegungsmangel und vieles Sitzen – sagen 47 Prozent, also fast jeder Zweite
- falsche, beziehungsweise ungesunde Ernährung – sagen 33 Prozent
- Fast Food – sagen 31 Prozent
- Fertigprodukte – sagen 23 Prozent
- Zeitmangel und Bequemlichkeit – sagen 20 Prozent
Das mit dem Bewegungsmangel unterschreibe ich sogar.. heutzutage ist man schlicht und ergreifend 80% der Zeit, in der man unterwegs ist, mit Bus, Bahn oder Auto am Start.
Auch die anderen Punkte möchte ich nicht gänzlich zurückweisen, die spielen sicherlich alle mit ins Gesamtpaket.. warum ärgere ich mich dennoch?
Ganz einfach, es fehlt ein Punkt. Der Psychische! Viele haben kein anderes Ventil als Essen. Essen ist immer für Dich da, meckert nicht und enttäuscht Dich nicht. Es ist so einfach sein Kummer mit Essen zu kompensieren.. Essen kann nicht schlecht sein.. immerhin essen doch alle Menschen.
Viele Dicke oder stark übergewichtige Leute reden sich oft raus und sagen “Ich bin krank, daher hab ich so viel zugenommen”. Das ist meiner Meinung auch eine Aussage, die “Normalos” wütend macht. Na klar gibt es Krankheiten, die eine Gewichtszunahme begünstigen. Um ein paar Dinge zu nennen, sind das u.a. Schilddrüsenunterfunktion, Lipödem oder regelmäßige Einnahme von Cortison.
Diese Dinge sind sicherlich nicht toll und fördern eine Gewichtszunahme, aber sie sind dennoch meistens nicht ausschließlich der Grund, warum man 50 oder mehr Kilogramm zu viel auf der Hüfte hat.
Ich habe viele Kunden betreut und betreue sie noch heute mit Krankheiten über Hashimoto, Schilddrüsenunterfunktionen, Lipödemen oder eingeschränkter Nierenfunktion- alle können ihr Gewicht zumindest deutlich minimieren und dadurch ein viel schöneres Leben führen.
Alltag eines adipösen Menschen
Dass fast alle davon ausgehen, dass die meisten adipösen Menschen gesundheitlich eingeschränkt sind, kann ich verstehen- lustigerweise habe ich schon oft gehört, dass gerade dicke Leute oftmals bessere Blutwerte haben als “normale” Menschen. Dennoch ist natürlich eine Schädigung auf Dauer fast unvermeidlich. 71% denken, dass man weniger gut mobil ist und beim Laufen oder anziehen Probleme hat. Ich für meinen Teil kann das auch unterschreiben. Jeder zweite soll sogar sozial weniger anerkannt sein und da würde ich sogar so weit gehen, dass auch dort die Dunkelziffer höher liegt!
Meiner Meinung sind wir adipösen allerdings nicht ganz unschuldig, denn wir distanzieren uns natürlich selbst enorm und strahlen schlicht, meist, nicht dasselbe aus, wie ein normal gewichtiger Mitmensch. Die Nachteile im Beruf sind auch nicht von der Hand zu weisen. Ich hatte ein gutes Realschulzeugnis und habe damals über 6 Jahre rund 500 Bewerbungen geschrieben.. spätestens beim Vorstellungsgespräch war Schluss.
Zum letzten Punkt muss man allerdings auch sagen, dass ich in den ganzen Fällen der gemeinsame Nenner war- vielleicht lag es wirklich einfach nur an meinem Auftreten und nicht an den oberflächlichen Personalern.
- 85 Prozent der Deutschen glauben, adipöse Menschen seien gesundheitlich eingeschränkt.
- 71 Prozent gaben Probleme in der Mobilität an, beispielsweise beim Laufen oder Anziehen.
- Jeder Zweite sagt, fettleibige Menschen seien sozial weniger anerkannt.
- 44 Prozent vermuten Nachteile in Beruf und Karriere aufgrund der vielen Pfunde.
Abschlussfazit:
Ein Mensch mit Adipositas ist krank. Er ist Suchtkrank, wie ein Mensch der abhängig von Drogen, Alkohol oder Tabak ist. Er hat sich oftmals nicht ausgesucht, dass er heute in dem Extrem lebt, in dem er zuhause ist. Niemand setzt sich auf die Couch und sagt “Von jetzt an werde ich fett, da ist das Leben echt entspannt. 10.000 Kalorien am Abend tun mir gut.”
Da steckt IMMER etwas dahinter.
Essen ist ein Ventil und, leider, immer für einen da wenn man Probleme hat. Zucker, vor allem isolierter Haushaltszucker ist schlicht und ergreifend eine Sucht.
Der Zucker spricht das Belohnungssystem an und sorgt für kurze Aufheiterung.
Jeder, der fette Menschen verurteilt, muss sich fragen ob er selbst keinerlei Laster hat.
Das Schlimmste ist, dass Alkoholiker, Spielsüchtige oder auch zum Teil sogar Drogensüchtigen gesagt wird:”komm lass dir helfen, alleine schaffst du es nicht..”.
Man entgegnet vor allem bspw. magersüchtigen Menschen (die eigentlich genau das gleiche Problem wie Adipöse Menschen haben, nur eben umgekehrt) mit einer Wärme und einem Verständnis.. Fetten wiederum mit “friss nicht so viel, du fette Sau”.
Seinem Körper indirekt zu schaden indem man mehr isst oder weniger isst, ist so einfach.. Und essen muss jeder. Sowas redet man sich dann ein.
Das man sich sozial isoliert, sich noch mehr in die Sucht flüchtet ist damit nur viel einfacher.
Es muss Aufklärung her, es muss am besten auch mal was gegen die Industrie gemacht werden, die in jedes Lebensmittel Zucker mischt.
Anmerkung: Ich gebe der Industrie keine Schuld für meine ehemals 263 Kilogramm, aber das Bildungssystem und die Verachtung der Mitmenschen, wie man laut Studie gut sehen kann, lässt einen dicken ganz schnell noch dicker werden.
Irgendwann ist er nicht mehr Teil der Gesellschaft.. Und dabei weiß er sich eigentlich nur nicht anders zu helfen.
PS: Denkt immer daran, Alkoholiker wechseln bspw. ihren Freundeskreis um sich weitestgehend vom Alkohol zu distanzieren.. Klar lauern da auch täglich überall fallen.. Aber Alkohol ist nicht essentiell! Essen hingegen MUSS man, jeden Tag – bewusst! Sollte man als fetter auf einmal das Essen verfluchen, landet man im Binge Eating, Bulimie oder der Magersucht.
Hinterfragt den Umgang mit “fetten” Menschen und helft lieber anstatt zu verurteilen!
P.S. Lies Dir unbedingt meinen Blogbeitrag zum Jenke Experiment – Magersucht durch.
…ob dicke, dünne, große oder kleine Menschen, od. Behinderte Menschen, jeder Mensch ist unendlich wertvoll und geliebt!
Da hast Du Recht Christine.
Wir kämpfen dafür, dass die Gesellschaft jeden so akzeptiert, wie er ist.
Das mit dem “unästhetisch finden” halte ich nicht für ein wesentliches Kriterium. Jeder findet andere Dinge attraktiv – man würde vermutlich auch 70% Leute zusammen bekommen, die Leute mit Brille unästhetisch finden. Oder Blonde/Brünette/Rothaarige. Das sind einfach nur Präferenzen.
Und evolutionär ist der Mensch nun einmal auf gesundes Aussehen geprägt.
Bedenklicher finde ich, dass das “selber schuld” so stark ausgeprägt ist. Dicke Kinder halte ich nämlich nun wirklich nicht für fähig, ihr Essverhalten genügend zu überblicken, um es ändern zu können! Und mit psychischen Krankheiten geht auch oft einher, dass Defizite mit Essen kompensiert werden (bben there, done that, got the f*cking t-shirt …).
Passende Worte und ich hoffe, dass sie einigen Mut machen! Danke.